Engagiert sein

Steigerung und Unterstützung des gesellschaftlichen Engagements durch Freiwilligenkoordinator:innen und engagierte Personen in Gemeinden

Themenbereich
Basisdienstleistungen, Leader, Gemeinden

Untergliederung
Jugend
Kultur
Integration & Soziale Inklusion
Soziale Dienstleistungen
Nahversorgung
Gemeindeentwicklung
LEADER

Projektregion
Vorarlberg

Lokale Aktionsgruppe
LAG REGIO-V Regionalentwicklung Vorarlberg

LE-Periode
LE 14–20

Projektlaufzeit
22.10.2015-30.04.2019

Projektkosten gesamt
609.268,75 €

Fördersumme aus LE 14-20
365.561,25 €

Massnahme
Förderung zur lokalen Entwicklung (CLLD)

Teilmassnahme
19.2. Förderung für die Durchführung der Vorhaben im Rahmen der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen Strategie für lokale Entwicklung

Vorhabensart
19.2.1. Umsetzung der lokalen Entwicklungsstrategie

Projektträger
Regionalentwicklung Vorarlberg eGen

Kurzbeschreibung

Die Regionalentwicklung Vorarlberg (Regio-V) untersuchte an praktischen Beispielen die Wirkung aktiver Mobilisierung für bürgerschaftliches Engagement. Am Projekt beteiligten sich 18 Gemeinden, das Land Vorarlberg mit dem Büro für Zukunftsfragen und die Regio-V mit 5 Freiwilligenkoordinatorinnen.
In vier Betreuungsgebieten mit ca. 5.000 - 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wurden in 3 Jahren 850 Personen für das freiwillige bürgerschaftliche Engagement gewonnen. Die Koordinatorinnen initiierten 26.800 Stunden ehrenamtliches Engagement, welches über 6.000 Personen zugutekam. Es entstanden neue Bekanntschaften, ein Mehr an gegenseitiger Anerkennung und Teilhabe - insgesamt ein stärkerer Zusammenhalt in der örtlichen Gesellschaft. Ein Konzept für die Weiterführung und Übertragung liegt zur Entscheidung auf. Das Projekt empfiehlt, die gesellschaftliche Entwicklung nicht dem Zufall zu überlassen, sondern regionale Strukturen zu schaffen, die eine Weiterentwicklung sicherstellen.

Ausgangssituation

Das gegenständliche Projekt galt als Leitprojekt bei der Erstellung der Lokalen Entwicklungsstrategie (LES) 2014-2020 „Lebendige Dörfer“ und ist im Aktionsfeld 3 „Gemeinwohl-Strukturen und Funktionen“ unter der Maßnahme „Strukturen für gesellschaftliches, soziales Engagement ausbauen“ beschrieben. Im Zuge des LEADER-Projekts „Engagement“ der Periode 2007-2013 konnte die Erfahrung gemacht werden, dass sich freiwilliges gesellschaftliches Engagement mobilisieren lässt. In den drei Jahren des Pilotversuchs wurde zudem deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema eine ungeahnte Vielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet und eine Vielzahl von Menschen davon profitiert.
Die engagierten Personen konnten ihre Talente einbringen, mit ihrer Aufgabe wachsen und ihre Sozialkompetenz steigern. Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt: Ehrenamt bedarf lokaler Koordination sowie Mobilisierung und benötigt zum Gelingen die Unterstützung bestehender Institutionen. Gemeinden, die in der Mobilisierung des Ehrenamtes eine Chance erkennen, sollen die Möglichkeit erhalten, eine örtliche Stelle (Freiwilligenkoordinatorin/-koordinator) zur Mobilisierung des bürgerschaftlichen Engagements einzurichten. Unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem Pilotprojekt und der zur Verfügung stehenden LEADER-Mittel konnten in Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der mitwirkenden Regionen und Gemeinden Umsetzungspläne für nunmehr fünf Betreuungsgebiete entworfen werden.

Da mit dem Projekt mehrere Gemeinden bedient werden, hat die Lokale Aktionsgruppe Regio-V Regionalentwicklung Vorarlberg stellvertretend die Gesamtkoordination übernommen. Die erforderlichen Eigenmittel werden von den beteiligten Gemeinden und dem Land Vorarlberg aufgebracht.

Ziele und Zielgruppen

Übergeordnetes Ziel des Projektes ist es, in ausgewählten Gemeinden das bürgerschaftliche Engagement zu mobilisieren und damit wirksam die Sozialkompetenz einer dörflichen Gemeinschaft nachhaltig zu steigern.
Operatives Ziel ist die Implementierung von mindestens fünf Personen, die als Freiwilligenkoordinatorinnen/-koordinatoren in den fünf Gebieten tätig sind. Die Freiwilligenkoordinatorinnen/-koordinatoren wiederum verfolgen das Ziel, Personen aus den Gemeinden für bürgerschaftliches Engagement zu gewinnen und zu höherer Sozialkompetenz zu befähigen.
Die Umsetzung der Ziele bewirkt eine Steigerung des bürgerschaftlichen Engagements in der Gemeinde, eine größere Achtsamkeit zu Personen, die an den „Rand“, oder punktuell in Not geraten sind, mehr Sensibilität für Eigenverantwortung, Verantwortung für die Gesellschaft und Offenheit für die Weiterentwicklung der dörflichen Gesellschaft. Die höhere Sozialkompetenz führt zu mehr Toleranz und Einsatz für die Allgemeinheit. Das verstärkte Miteinander stärkt die Dorfgemeinschaft und steigert die lokale Resilienz.

Projektumsetzung und Maßnahmen

Akquisition von „Freiwilligenkoordinatorinnen/-koordinatoren“ für die Orte/Gebiete und deren Grundausbildung
Unmittelbar nach Projektstart wurden ein Anforderungsprofil und eine Ausschreibung für die Freiwilligen-Koordinatorinnen/-koordinatoren erstellt. Die Bekanntmachung erfolgte über eine Jobbörse. Es haben sich 31 Personen beworben. 10 Bewerberinnen und Bewerber wurden zu persönlichen Gesprächen eingeladen, eine Übersichtsliste wurde erstellt und mit Auswahlvorschlag dem Lenkungsausschuss vorgelegt beziehungsweise den Regionsverantwortlichen zur Auswahl vorgeschlagen. Fünf Freiwilligen-Koordinatorinnen haben im April 2016 ihre Arbeit für drei Jahre aufgenommen. Nach der Anstellung wurde in Abstimmung mit dem Büro für Zukunftsfragen das Ausbildungsprogramm (Grundausbildung) festgelegt.
Der Lehrgang Basismodul Freiwilligen-Koordination wurde im April 2016 durchgeführt und der Lehrgang „Ausbildung zum/zur Strategischen Freiwilligen-KoordinatorIn“ 2016 gestartet und 2017 abgeschlossen. Ergänzend zum Lehrgang wurde vereinbart, dass im Zuge der zweimonatlichen Teamsitzungen auch eine methodische Weiterbildung organisiert wird. Diese wurde ebenfalls 2016 gestartet.

Bedarfe in den Gemeinden, Aktionen mit bürgeschaftlich engagierten Personen ausführen
Die fünf Freiwilligenkoordinatorinnen haben Bedarfe in den vier Kleinregionen zu Personen/Gruppen mit fehlender Teilhabe erkannt und in enger Abstimmung mit den Verantwortlichen der Gemeinden ein Bündel an Maßnahmen entwickelt, um den Handlungsbedarf zu decken. Dabei wurden die unterschiedlichen Zugänge und die individuellen Anforderungen in den Gebieten deutlich gemacht. Die Koordinatorinnen haben Kontakt zu Personen mit Potential aufgebaut, diese für das bürgerschaftliche Engagement begeistert und sie in ihrem Einsatz begleitet. Die Freiwilligenkoordinatorinnen sorgten für die Befähigung dieser bürgerschaftlich engagierten Personen und achteten darauf, dass sie Wertschätzung erfahren. Um das erforderliche Vertrauen zu engagierten Personen aufzubauen, war es vielfach notwendig, dass die Freiwilligenkoordinatorinnen Initiativen nicht nur entwickelten, sondern zu Beginn auch organisatorisch betreuten.
Es waren auch Einzelaktionen erforderlich, um ein entsprechendes Netzwerk im Betreuungsgebiet zu entwickeln und die Absicht des Projektes zu verdeutlichen. Die Freiwilligenkoordinatorinnen arbeiteten gezielt mit bestehenden Institutionen zusammen, die zum Teil auf bürgerschaftlich engagierte Personen angewiesen sind. Dadurch wurde erleichtertet, die Angebote dieser Regional- und Landesinstitutionen in der Region stärker zur Entfaltung zubringen:
  • Die Ansprechgruppen für eine Freiwilligenkoordinatorin sind dementsprechend: Personen/Gruppen mit Unterstützungsbedarf
  • Personen mit Potential
  • Landesinstitutionen
  • Gemeinden, Vereine

Wichtig in dem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass es zum Wesen der Freiwilligenkoordinatorin / des Freiwilligenkoordinators zählt, sich sukzessive von der jeweiligen Initiative zu lösen und diese in eine bürgerschaftlich, ehrenamtlich geführte Form überzuführen.

Laufende Erfahrungsaustausche, Weiterbildung, Reflexion, Transfer
Entsprechend der Vorbereitung wurde das Seminar zur Koordination von Freiwilligenarbeit ausgeführt und die Seminarreihe zur Freiwilligen-KoordinatorIn gestartet. Zudem wurde im Jahr 2016 mit der Vermittlung von Arbeitsmethoden in Verbindung mit den Teamworkshops begonnen. Die Steuerung auf der operativen Ebene erfolgte in monatlichen Teamsitzungen der Freiwilligenkoordinatorinnen. Dort wurde neben der Detailabstimmung auch fachliches Know-how vermittelt und das Wissen durch kollegiale Beratung erweitert, ausgetauscht und reflektiert. Das Hereinholen externer Expertisen und die Besuche und Erfahrungsaustausche bei guten Beispielen ermöglichten eine Professionalisierung der Arbeit in der Freiwilligenkoordination. Organisatorisch bestand neben der Projektleitung ein Lenkungsteam, das sich halbjährlich traf und den Projektfortschritt sowie die gewonnenen Erfahrungen beriet. Das Lenkungsteam bestand aus Vertreterinnen und Vertretern des Projektteams, des Landes Vorarlberg und der Regionalentwicklung Vorarlberg. Das Lenkungsteam sorgte für die strategische Steuerung und Einbettung in die Gebietsstrategie. Neben dem monatlichen Treffen nutzten die Freiwilligenkoordinatorinnen auch die Wissensplattform „t-point“, die von der Regio-V bereitgestellt wurde. Zur Übersicht und Transparenz dokumentierten die Freiwilligenkoordinatorinnen dort ihre Aktivitäten und Erkenntnisse in über 900 Wochenberichten.
Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist die Aktion B(r)otschaften besonders hervorzuheben. Sie diente dazu, bürgerschaftliches Engagement sichtbar zu machen, Bewusstsein zu schärfen, Verständnis zu wecken, Bedarfe und Potential zu erkennen, Dankeskultur zu entwickeln und Freiwillige zu gewinnen. In acht Bäckereibetrieben im Leiblachtal und Bregenzerwald wurden hierzu 80.000 Papiersäcke mit Botschaften zum bürgerschaftlichen Engagement verteilt. Kernbotschaft: Es gibt 100 große und kleine Dinge, die ICH jeden Tag für ein besseres WIR tun kann.

TU ES! Gesamtkoordination, Coaching
Gerade zu Projektbeginn war ein großer Aufwand für die Einzelgespräche in den Gemeinden und mit den einzelnen potentiellen Freiwilligen-Koordinatorinnen und -koordinatoren zu registrieren. Neben der Vermittlung der Projektinhalte und der gesellschaftlichen Bedeutung des Vorhabens gegenüber Entscheidungsträgerinnen und -trägern in den Gemeinden und dem Land war es dem Projektmanagement ein Anliegen, ein Team der Freiwilligenkoordinatorinnen zu bilden und eine Wissensvermittlung sicher zu stellen. Laufende Grundlagenarbeit, also das Recherchieren und Zusammentragen von vorhandenem Wissen aus Literatur und einschlägiger Erfahrung waren ebenfalls Aufgabe des Projektkoordinators. Um die Nutzung der Projektergebnisse sicher zu stellen, wurde sehr früh mit Gesprächen mit relevanten Organisationen begonnen.
Gerade im letzten Projektjahr war das zentrale Thema in den Gesprächen mit den Organisationen, Gemeinden und dem Land die flächendeckende Ausrollung und Weiterführung. Das Projekt erhielt große Aufmerksamkeit und Anfragen zu Präsentationen in verschiedenen Formaten. Diese galt es zu bedienen und in der Folge zur Motivation und Überzeugungsarbeit zu nutzen.
  • 12.2018 Nominiert für PlurAlps Award, Fallstudie zur Studie über Soziale Innovation und LEADER
  • 06.2019 Good Practice Beispiel für die Publikation LEADER/CLLD der European LEADER Association for Rural Development (ELARD)
  • 06.2018 Good Practice Beispiel für das European Network for Rural Development (ERND)
  • 12.2018 Teilnahme am Europäischen Innovationspreis in der Kategorie LEADER, vorgeschlagen durch die nationale Netzwerkstelle „Netzwerk Zukunftsraum Land“
  • 04.2018 Präsentation beim EU-Bürgerforum im Festspielhaus


Ergebnisse und Wirkungen

In vier Gebieten beziehungsweise 18 Gemeinden wurde eine Anlaufstelle für die Mobilisierung zum bürgerschaftlichen Engagement eingesetzt, das heisst fünf Freiwilligenkoordinatorinnen. 850 Personen wurden damit für das freiwillige bürgerschaftliche Engagement gewonnen.

Die bürgerschaftlich engagierten Personen leisteten in Summe ein Pensum von 26.800 Stunden ehrenamtlichem Engagement, welches über 6.000 Personen zugutekam. In drei Jahren wurden 110 Initiativen und Aktionen von den Freiwilligenkoordinatorinnen initiiert und begleitet. Es zeigte sich, dass das Potential an bürgerschaftlichem Engagement groß ist und sich über persönliche Kontakte und professionelle Betreuung stärken und mobilisieren lässt. Lokale und sektorübergreifende Betreuungsstrukturen können bürgerschaftlich engagierte Personen effizient und treffsicher erreichen.

Die Freiwilligenkoordination erweist den etablierten Institutionen zudem nützliche Dienste, um die angebotenen Services an den Mann / die Frau zu bringen (last mile). Gemeinden können das bereits vorhandene, wertvolle Potential des Freiwilligenengagements durch den Ausbau von Engagement fördernden Strukturen und Rahmenbedingungen nachhaltig unterstützen. Dadurch werden nicht nur mehr Menschen motiviert, sich ins Gemeinwohl einzubringen, sondern es wird auch das bereits bestehende vielfältige Engagement in einer Gemeinde gestärkt. Erfahrungsaustausch und kollegiale Beratung innerhalb der Freiwilligenkoordinatorinnen führen zur Professionalisierung der Netzwerkarbeit, sorgen für den Know-how-Transfer und sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Die Wirkung des Projektes auf die Eigenverantwortung, Toleranz, Zusammenhalt, Umgangskultur mit Minderheiten und die Assimilationsdynamik in der Gesellschaft lässt sich zwar nicht quantifizieren, die positive Wirkung auf die genannten Elemente einer Gesellschaft war im Projekt jedoch direkt spürbar. „Durch ihre Vermittlerrolle trägt die Freiwilligenkoordination wesentlich dazu bei, dass das für die Gesellschaft so wichtige Engagement auch weiterhin auf hohem Niveau Zukunft hat. Denn das freiwillige Engagement ist kein Selbstläufer.“ Michael Lederer, Büro für Zukunftsfragen „Sich Zeit für die Gemeinschaft zu nehmen ist heute nicht selbstverständlich; das braucht Motivation, Energie und setzt Vertrauen zu sich selbst aber auch zu den Mitmenschen voraus. Es braucht Vertrauenspersonen, die jene Bürgerinnen und Bürger unterstützen, die sich für Mitmenschen engagieren.“ Landesrat Christian Gantner

Erfahrung

Man kann die gesellschaftliche Entwicklung dem Zufall überlassen oder durch aktives Handeln zu einer höheren Resilienz und einem friedvolleren Zusammenleben verhelfen. Den gesellschaftlichen Verantwortungsträgerinnen und -trägern wird daher eindringlich zur aktiven Gestaltung im Umfeld des bürgerschaftlichen Engagements geraten und die Handlungen nicht auf das Verwalten des Bestehenden zu beschränken. Ein entsprechendes Umsetzungskonzept wurde erarbeitet und den Gemeinden und dem Land zur Entscheidung und Weiterführung vorgelegt.